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Presseschau: Vom Nil an den Genfersee


Jean Claude Gandur hat sein Geld im Ölgeschäft verdient. Seine Sammlungen gestischer Malerei und altägyptischer Kunst stellt er den Genfer Museen zur Verfügung. Deren Erweiterung fördert er mit fünfzig Millionen Franken. Von Gerhard Mack

Das Gebäude der Spedition mit dem roten Schriftzug ist eine der hässlicheren Lagerhallen in Carouge bei Genf. Hohe Rolltüren, Camions, riesige Lifte. Auf einem der oberen Flure sind dann plötzlich Kameras zu sehen, und elektrische Nummernschlösser sichern die Türen. «Sie müssen Schuhüberzüge anziehen», sagt Jean Claude Gandur und steckt seine Füsse in einen Automaten, der diese Arbeit erledigt. Dann geht die Tür auf, und es verschlägt dem Besucher den Atem. In gleissendem Weiss erwartet ihn eine fremde Welt. Auf Rampen, Brüstungen und Regalen stehen Hunderte kleiner Figuren, Köpfe und Amulette. Reliefs lehnen an den Wänden. Ägypten, Griechenland, das Römische Reich, die ganze antike Welt des Mittelmeerraums scheint hier darauf zu warten, dass Besucher sich für ihre Geschichten interessieren. Ein Nilboot mit Ruderern aus Holz erzählt vom Leben unter den Pharaonen. Ein Hermeskopf mit altem und jungem Männergesicht von den hellenischen Mysterien. Ein Relief von einer Landschenkung Ramses III. an eine religiöse Gemeinschaft.

Gandur geniesst einen Moment lang das Staunen der Besucher. Die über 800 Objekte, die er in den letzten vierzig Jahren zusammengetragen hat, bilden weltweit eine der besten Privatsammlungen antiker Kunst. Viele von ihnen waren als Leihgaben in grossen Museen zu sehen. Im November geht eine Auswahl von hundert Meisterwerken auf eine Tournee durch die USA.

Kunstsinnige Familie

Jean Claude Gandurs Begeisterung für die Kunst der Antike wurde schon als Kind geweckt. «Meine Grossmutter schenkte mir zu meinem neunten Geburtstag eine römische Öllampe. Seit dieser Zeit wollte ich sammeln», erinnert sich Gandur. Die Familie lebte in Alexandria und gehörte zur Oberschicht. Sie baute auf ihren Ländereien Baumwolle an. Kunst gehörte zum Haushalt dazu. Der Sohn begleitete den Vater in Galerien. Seine erste seriöse Erwerbung war eine grüne Amulettfigur, die heute noch in der Sammlung ist. Als die Familie 1961 bei Nassers Revolution in die Schweiz emigrierte, musste sie alles zurücklassen. «Wir sind in Genf Cointrin mit zwei Koffern angekommen», sagt Gandur. Der Vater hatte in Lausanne Medizin studiert und konnte sich 1964 in einem kleinen Bergdorf im Kanton Waadt als Kinderarzt niederlassen. Erst 1973 erhielt die Familie eine Entschädigung, ihr Haus und die Objekte zurück, die noch vorhanden waren. Vieles war zerstört oder geraubt, die kleinen Figuren Jean Claude Gandurs hatten aber niemanden interessiert.

Die Familie gelangte allmählich zu bürgerlichem Wohlstand. Jean Claude machte Matura und studierte in Lausanne Rechts- und Politikwissenschaften, bevor er ins Rohstoffgeschäft einstieg. Er arbeitete ab 1976 zunächst in Zug als Nachfolger von Marc Rich bei Philipp Brothers und leitete bald das Afrikageschäft. 1984 wechselte er als Generaldirektor zu Sigmoil Ressources in Genf. 1986 baute er das Genfer Büro der Rohölhandelsfirma Kaines auf und übernahm es im Jahr darauf mit drei Partnern. Die Firma erhielt den Namen zweier Antilopenarten und firmierte künftig unter Groupe Addax & Oryx. Nach dem Rückzug der Partner stand Gandur bald alleine da. Er agierte zurückhaltend und instinktsicher, erwarb in schwierigen politischen Verhältnissen Rechte an Ölfeldern im Irak und in Afrika und verkaufte die Ölfirma Addax Petroleum 2009 an den chinesischen Konzern Sinopec. Gandurs Erlös soll irgendwo zwischen zwei und drei Milliarden gelegen sein. Heute pendelt er zwischen seinen Wohnungen in Genf und in London.

Das Handy klingelt, und das Gespräch ist fürs Erste beendet. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Auktionshaus aus Brüssel. Gandur möchte einen Kopf des römischen Kaisers Nero ersteigern. Er sei auf einer Bronzeplatte eingraviert, erzählt er später, und werde im Rahmen einer Münzauktion angeboten. Der Sammler ist angespannt, die Verbindung wird schlecht, er verlässt den Raum mit den Antiken. Als er ein paar Minuten später zurückkommt, blitzt es in seinen Augen: «Es ging sehr gut.» Ein Mitbewerber hat schnell zurückgezogen. «Ich kaufe fast jeden Tag etwas, aber ich warte noch immer voller Bangen, bis ich den Hammer aufschlagen höre, mit dem der Auktionator den Zuschlag besiegelt.»

Dass der Erwerb von Antiken heikel sein kann, weiss Jean Claude Gandur selbstverständlich. Die meisten Länder sind für den Schutz der Zeugnisse ihrer Geschichte sensibilisiert. Die unrechtmässigen Erwerbungen des Getty-Museums in Los Angeles gingen weltweit durch die Medien. Gandur sichert sich ab. Was er kauft, lässt er vorher auf seine Provenienz abklären. Am liebsten geht er zu Auktionshäusern. Was dort zum Aufruf kommt, wird auch publiziert, und Regierungen können nachprüfen, ob sich Stücke aus Raubgrabungen darunter befinden. «Es gibt eine Million Objekte auf dem Markt, die völlig legal angeboten werden. Warum soll ich das einmillionunderste wollen, das illegal ist?», fragt der Sammler.

Lieblingsstücke hat Gandur keine. «Sie sind alle meine Kinder. Wieso sollte ich sie gegeneinander bewerten?» Mit jedem verbindet ihn eine Geschichte. Die wohl persönlichste mit einem Gemälde des chinesischen Malers Zao Wou-Ki. Als das Auktionshaus ihn anrief und über das Werk informierte, war gerade seine Mutter gestorben. Die Mitarbeiterin sagte, sie würde sich wieder in drei Wochen aus dem Auktionssaal melden. Da lag die Beerdigung etwas zurück, der Verlust hatte eine Form erhalten, und Gandur ersteigerte das Werk. Als er am nächsten Tag nachfragte, warum es so günstig gewesen sei, erfuhr er, dass die Telefonleitungen nach Hongkong an dem Abend tot waren. «Da hat meine Mutter die Kabel abgeklemmt», sagt Gandur lachend.

Liebe zur Malerei

Damals sammelte er schon ein paar Jahre Malerei der Zweiten Pariser Schule, die zwischen 1945 und 1962 entstanden war. Eine Beziehung zu den altägyptischen Skulpturen sieht er keine, aber er erzählt, wie er ganz ähnlich schon früh davon berührt wurde. Mit 13 Jahren war er von der Gestik und von den Farben dieser Bilder fasziniert. Damals erlebte er Lausanne als ein Zentrum der Gegenwartskunst. Alles war für den jungen Immigranten neu. Die gestische Malerei aus Paris war en vogue und im Musée cantonal des Beaux-Arts 1963 in einer Ausstellung zu sehen. Sein erstes Bild kaufte er dann mit 21 Jahren. «Ich kannte den Maler Georges Mathieu und besuchte ihn in seinem Atelier. Das Bild gefiel mir sehr, und Mathieu bot es mir für 300 Franken an. Das war damals das Maximum, das ich aufbringen konnte.»

Heute wirken diese Werke mit ihrem Pathos befremdlich. Der Venezianer Emilio Vedova, der Deutsche Hans Hartung, der Franzose Pierre Soulages, der Schweizer Gérard Schneider, was können sie uns zeigen? Wird da die Identitätskrise Europas nach dem Zweiten Weltkrieg nicht im Pinselhagel einer gestischen Abstraktion erstickt, die in New York erfunden wurde? Bei solchen Fragen gerät Jean Claude Gandur in Fahrt: «Warum müssen Sie die Maler in Paris denen in New York entgegenstellen und die Europäer abwerten? Sie vergleichen doch auch nicht ägyptische und chinesische Kunst miteinander und sagen, die eine sei besser als die andere! Die Werke sprechen doch über Erfahrungen, und die waren an jedem Ort anders.»

Als er bemerkte, dass die Malerei seiner Jugend aus den Galerien und Museen verschwand, begann er mit 45 Jahren danach zu forschen und sie zu kaufen. «Ich wollte für mich und für andere wieder zugänglich machen, was mich so begeistert hatte.» Damit bewegte er sich so sehr am Rand des Marktes, dass er «zu bescheidenen Preisen» die grösste Sammlung der Zweiten Pariser Schule ausserhalb des Centre Pompidou in Paris zusammentragen konnte. Sein Traum ist es, 50 Werke daraus mit 50 Werken der abstrakten Expressionisten aus New York in einem grossen Museum wie dem Museum of Modern Art zu zeigen, ohne sie voneinander zu trennen: «Dann werden alle sehen, dass sich die Bilder bestens vertragen.»

Diese Mission, wenn man es so nennen will, dürfte seit letztem Jahr leichter werden. Da hat der Sammler seine Fondation Gandur pour l’Art gegründet und den grössten Teil seiner Sammlungen, zu denen auch Möbel und Objekte des 17. und 18. Jahrhunderts zählen, eingebracht. Sie sollen auf 99 Jahre dem Genfer Musée d’art et d’histoire zur Verfügung stehen. Darüber hinaus beteiligt er sich an den Kosten für den Erweiterungsbau, den Jean Nouvel entworfen hat. Von 40 bis 60 Millionen ist in der französischsprachigen Presse die Rede. Gandur selbst will die Zahlen nicht kommentieren. Kunst ist für ihn Lebenselixier und kulturelles Ferment: «Kunst kann Menschen und Kulturen einander näherbringen, über sie können wir Fremdes besser verstehen.» Das hat er selbst als Kind zur Genüge erfahren.


Quelle: NZZ am Sonntag, 22. Mai 2011

2011-05-22, Lorenz E. Baumer

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