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Presseschau: Ein sorgsam gehüteter Bildungsschatz

Das «Lexikon des frühgriechischen Epos» ist abgeschlossen worden

1944 begründete Bruno Snell das «Archiv für griechische Lexikografie». Wegen der Fülle der erhaltenen altgriechischen Literatur wurde es in Teilprojekte zerlegt. Nun ist das formidable «Lexikon des frühgriechischen Epos» fertiggestellt worden.
Hans-Albrecht Koch


Der deutsche Gräzist Bruno Snell (1896–1986), Erforscher der griechischen Metrik, Editor Pindars und der Fragmente der griechischen Tragiker sowie Herausgeber des Jahrbuchs «Antike und Abendland», entfaltete eine für Philologen ungewöhnliche Breitenwirkung. Er besass zudem eine unter Professoren ganz seltene Zivilcourage und hatte diese bereits 1935 in einer für ihn höchst gefährlichen Form bewiesen. Als die Nationalsozialisten bei einer sogenannten Volksbefragung auf ihren Plakaten ein grosses «Ja» einforderten, rückte Snell im «Hermes», einer der angesehensten altphilologischen Zeitschriften, eine Miszelle ein, in der er in einem Wortspiel die unterschiedlichen Äusserungen eines griechischen und eines deutschen Esels gegenüberstellte: Während der Esel in griechischer Sprache einen U-Laut ertönen lasse, also das griechische Wort für «Nein», stosse der deutsche Esel immer ein «Ja» aus.

«Thesaurus Linguae Graecae»
Noch während des Krieges hatte Snell das Konzept eines «Thesaurus Linguae Graecae» entwickelt, in dem der gesamte Wortschatz des Altgriechischen zusammengetragen und analysiert werden sollte. Angesichts der Tatsache, dass die Menge der erhaltenen griechischen Texte etwa das Zehnfache derjenigen in lateinischer Sprache ausmacht, war das im Vergleich zu dem bereits 1893 begründeten «Thesaurus Linguae Latinae», der kürzlich erst bis zum Buchstaben R gelangt ist, ein gigantisches Vorhaben. So lag es allein aus arbeitsökonomischen Gründen nahe, die Verwirklichung des griechischen Thesaurus in mehreren Teilprojekten (Epos, Lyrik, Tragödie usw.) zu planen.

Den Anfang bildeten ein «Lexikon des frühgriechischen Epos» und ein Hippokrates-Lexikon. Nachdem zunächst die Trägerschaft mehrfach gewechselt hatte – selbst die Unesco war eine Zeitlang daran beteiligt –, ging das Epos-Lexikon, ursprünglich Hamburger Herkunft, in die Obhut der Göttinger Akademie der Wissenschaften über. Nach über sechzig Jahren, in denen auch manche Abstriche an der ursprünglichen Konzeption erforderlich waren, ist mit dem vierten Band dieses zwar von zahlreichen Händen erarbeitete, in sorgfältiger Redaktion jedoch zu einem einheitlichen Ganzen verdichtete Werk unlängst abgeschlossen geworden. Es gereicht der Göttinger Akademie und dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht gleichermassen zur Ehre, dass sie das Lexikon weder vor Ungeduld haben zum Torso missraten lassen noch – was auf dasselbe hinausgelaufen wäre – zeitgeistgläubig die aufwendige Buchform durch eine Datenbank-Version ersetzt haben.

Snell war aus der Erfahrung der Edition schwieriger Texte besonders bewusst, wie sehr das Verständnis der alten Texte davon abhängt, dass wir klare Vorstellungen von der Semantik und Etymologie der einzelnen Ausdrücke gewinnen – und dass dies nur im Kontext der Lexik, also der Gesamtheit aller Wörter einer Sprache, möglich ist. Für Snell verband sich die Analyse des altgriechischen Wortschatzes mit der Hoffnung, an der Sprache der frühesten europäischen Dichtung beobachten zu können, wie der Mensch allmählich und immer sicherer die Fähigkeit zur Bildung von Begriffen entwickelte, die ihm ein Verständnis der Welt ermöglichten. Die entscheidende Wende in der «Entdeckung des Geistes», so der Titel von Snells bekanntestem Buch, können wir heute zwar so einfach nicht mehr bei Homer ansetzen, seit uns die mykenische Kultur bekannt geworden ist. Wie wichtig aber Snells Ansatz im Grundsätzlichen ist, zeigt etwa der grosse Artikel in der Abschlusslieferung des Lexikons zum Lemma «cheir», einem Wort, das die Bedeutungen «Hand» und «Arm» in sich vereint, so dass jeweils am Text genau auseinanderzulegen ist, in welcher der beiden Bedeutungen der Ausdruck gebraucht wird.

Die Artikel informieren zu den Lemmata im Einzelnen über die Etymologie, über die verschiedenen Formen, in denen ein Wort in den Texten begegnet, über das Vorkommen möglicher Flexionsformen in den verschiedenen metrischen Positionen, über allfällige Erklärungen in den sogenannten Scholien, den spätantiken Erklärungen entweder nur sprachlicher Natur (Glossen) oder auch inhaltlicher Art; vor allem natürlich geben sie Aufschluss über die Bedeutung der Wörter, bis hin zum möglichen Gebrauch als sinnentleertes Epitheton. Zahllose Korrekturen des Homer-Verständnisses betreffen Grundsätzliches: So erweisen sich etwa die schönen «geflügelten Worte», die Johann Heinrich Voss mit seiner Homer-Übersetzung dem deutschen Wortschatz hinzugefügt hat, als ein Missverständnis dieses frühen Übersetzers, denn in Wahrheit handelt es sich im Griechischen um «gefiederte Worte», die wie ein gefiederter Pfeil fliegen – schnell und treffsicher.

Eine Hamburger Tagung vereinte letzte Woche viele Mitarbeiter des Lexikons und Homer-Forscher aller Disziplinen, von der Indogermanistik bis zur Archäologie, zu einem Kolloquium unter der Leitung des Marburger Gräzisten Arbogast Schmitt, in dessen Händen die Verantwortung gegenüber der Göttinger Akademie lag, und des Redaktors, des Schweizer Sprachwissenschafters Michael Meier-Brügger. Die Beteiligten hielten nicht nur Rückschau auf ein Werk, das seinesgleichen nicht hat, sondern wandten sich auch neuen Themen zu – wie etwa der Würzburger Indogermanist Heinrich Hettrich, der die im Lexikon nur knapp berücksichtigten Präpositionalausdrücke bei Homer im Sanskrit untersuchte.

Homers Wirkungsgeschichte
Vor einem übervollen Hörsaal schritt zur Eröffnung der Basler Emeritus Joachim Latacz, Doyen der Homer-Forschung, die grossen Wendepunkte in der Geschichte der Rezeption der frühgriechischen Epen seit ihrer Entstehung um 700 v. Chr. ab. Waren die Epen zunächst Grundtext aller Bildung bei den Griechen, lernte der junge Römer an ihnen von einem griechischen Sklaven die Sprache Homers. Längere Zeit war Homer im Mittelalter gegenwärtig, ohne dass man ihn selbst lesen konnte, etwa in der «Ilias Latina» oder gar in den trivialisierenden Troja-Romanen. Dante und Petrarca nannten Homer zwar den grössten aller Dichter, im Original aber las ihn, wie stümperhaft auch immer, erst Giovanni Boccaccio.

An den Homer-Übersetzungen von Friedrich Leopold Graf Stolberg und Johann Heinrich Voss gewann die deutsche Literatur ihren Hexameter, an Homer entzündete sich die Gräkophilie der deutschen Klassik, wie sie in Goethes «Achilleis»-Fragment oder im Thalia-Fragment von Hölderlins «Hyperion» sichtbar wird. Jeder Gymnasiast hatte im 19. Jahrhundert, seit durch Wilhelm von Humboldt das Griechische gegenüber dem Lateinischen im Lehrplan an Boden gewonnen hatte, seinen Homer im Original gelesen.

Quelle:
NZZ online 15. Oktober 2010
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur/ein_sorgsam_gehueteter_bildungsschatz_1.8004208.html

2010-10-26, Lorenz E. Baumer

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