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Lorenz E. Baumer, 2004-10-20
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Bologna-Reform und Forschung: Ein Plädoyer
Beitrag von Lorenz E. Baumer, 2005-12-22:
Ein engagiertes Plädoyer von Prof. Dr. Lorenzo Perilli, Rom.
Der Verfasser lehrt Geschichte der antiken Philosophie an den Universitäten Roma Tor Vergata und Lumsa in Rom. 1996 und 2005 arbeitete er mit einem Humboldt-Forschungsstipendium in München und Berlin.

Quelle: Humboldt kosmos Nr. 86, Dezember 2005, 46-49
Für die Reproduktionsgenehmigung danke ich der Pressestelle der Alexander von Humboldt-Stiftung sowie dem Verfasser.

Was Forscher wirklich wollen - What researchers really want
(English version of this article below)



Bürokratische Reformideen und das Schielen nach falschen Vorbildern gefährden die europäischen Universitäten. Ein Plädoyer für die Besinnung auf klassische Stärken und mehr Vertrauen in den Nachwuchs.

Ruhe, Zeit und Vertrauen. Was Forschung braucht, steckt in diesen Begriffen. Was der wissenschaftliche Alltag verlangt, ist das genaue Gegenteil: Eile, unverzügliche Ergebnisse sowie die Hinnahme misstrauischer Kontrollen. Quantität zählt. Man muss möglichst viel veröffentlichen und sich darum kümmern, mehr und mehr zitiert zu werden. Am Ende werden Publikationen und Zitate einfach zusammengeworfen und ausgezählt. Ob die Qualität der Arbeit nur gering oder gar unbeträchtlich ist, interessiert nicht. Denn wer unter den Auskundschaftungs-Staffeln der europäischen Ministerien könnte das wirklich beurteilen?
Fortschritte in der Wissenschaft, ob in den Geistes- oder in den Naturwissenschaften, entstehen oft aus Originalität, aus einer Turbulenz im ruhigen Fluss der Routine. Doch Originalität wurde und wird nicht sofort erkannt und akzeptiert. Es dauert, bis sich neue und ungewöhnliche Ideen durchsetzen. Hätte man, wie heute immer mehr, einen Citation Index oder Impact Factor, also das Prinzip des „Gucken-wir-mal-wie-oft-ich-zitiert-wurde", angelegt, um den Wert der Arbeiten des jungen Albert Einstein oder Kurt Gödel zu beurteilen, dann hätte ein von ihnen vorgeschlagenes Forschungsprojekt nie eine finanzielle Unterstützung gefunden - und beide hätten auch keinen Platz in der akademischen Welt.
Widerstand gegen die zeitgenössische bürokratische Tendenz zur Abflachung gibt es glücklicherweise noch - doch wie lange? Die Reformen, die die Gesetzgeber in vielen europäischen Ländern einführen wollen oder eingeführt haben, beruhen auf einem Mangel an Kompetenz. Die Methoden, Ziele und Bedürfnisse von Universitäten und Forschern sind unbekannt oder werden missverstanden. Der erste und verhängnisvolle Grundfehler besteht in der Überzeugung, dass ein und dasselbe System für alle Fächer gelten kann und soll. Doch für Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften passen nicht ohne weiteres dieselben Lösungen. Was für die einen sinnvoll ist, kann für die anderen ungünstig sein. Das gilt für die Organisation der wissenschaftlichen Arbeit, die Bewertung der Ergebnisse, ja selbst die Dauer des Studiums. Alle über einen Kamm zu scheren, ist unsinnig. Es gibt geistes-, aber auch naturwissenschaftliche Fächer, in denen man keine berufliche Ausbildung erhält. Man muss auch keine bekommen; dort wird man zum Denken und Überlegen ausgebildet, man lernt, Probleme zu lösen und mit Komplexität umzugehen. Man könnte es Problemwissen nennen, unabhängig davon, ob man mit mathematischen Formeln, mit physikalischen Experimenten oder mit einer altgriechischen Handschrift zu tun hat. Es ist eine Fähigkeit, die heute immer mehr fehlt. An der Universität sollte man die Gelegenheit bekommen, sie zu erwerben. Denn oft wird dies die einzige Gelegenheit sein.

Falsch verstandene Amerikanisierung
Als Rechtfertigung für die meisten Reformideen dient der Verweis auf die Dominanz der Vereinigten Staaten. Das europäische System solle und müsse dem anglo-amerikanischen angepasst werden. Nur wer die amerikanischen Verhältnisse nicht kennt, kann diese These vertreten. Denn ein einheitliches amerikanisches System existiert als solches nicht. Dennoch kann man viel von den Amerikanern lernen - und aus der eigenen europäischen Geschichte: In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren die amerikanischen Universitäten für die Mehrheit der Studenten kaum mehr als eine bessere Sekundärschule. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, demgegenüber die Exzellenz der deutschen Universität zu bestreiten. Die rasante Aufholjagd vieler (aber bis heute beileibe nicht aller) amerikanischer Universitäten gelang auch deshalb, weil man einen roten Teppich für die besten europäischen Kräfte ausrollte. Amerikanische Universitäten hatten die Tüchtigkeit und Weitsicht, Nutzen aus der Ausbildung der Europäer, und damit aus europäischen Schulen und Universitäten, zu ziehen. Die Amerikaner boten das Umfeld, die Europäer die Köpfe.
Es läge für Europa nahe, den eigenen Talenten und Spitzenleuten ebenfalls einen roten Teppich auszurollen und einen dem amerikanischen ähnlichen Rahmen anzubieten: ein fruchtbares Umfeld, Öffnung und Aufgeschlossenheit, Chancen, Vertrauen und - das verbotene Wort muss fallen - Geld, das heißt „dramatisch höhere Ausgaben für Forschung und Bildung", wie der seit langem in den USA lebende deutsche Historiker Sven Beckert in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift forderte. Doch was haben sich die europäischen Entscheidungsträger ausgedacht? Sie ändern und verschlechtern, was unterm Strich gute Resultate erzielt hat, nämlich unsere Studiengänge und unsere Universitäten. Das nennt sich dann Modernisierung. Unverändert dagegen bleibt das, was nicht funktioniert und was fehlt, nämlich jenes fruchtbare Umfeld. Statt den Fähigkeiten Raum zu geben, werden Hindernisse in den Weg gelegt.

Der Wahn der Bürokraten
Das haben die Besten unter den Studenten schnell erkannt. Sie wissen, dass sie mit dem neuen System einer wahren Ausbildung beraubt werden. Es kann nur schaden, Studiengänge zu verkürzen, Prüfungen leichter zu machen oder gar die Zahl der zu lesenden Seiten im Voraus festzulegen. Das Beispiel Italien: Vorlesungsreihen heißen dort jetzt Module - ein Name, aus dem der bürokratische Wahn spricht. Italienische Studenten müssen innerhalb von drei Jahren 30 so genannte Modul-Prüfungen bestehen, dazu eine kurze Hausarbeit. Wegen der schieren Masse der Veranstaltungen können sie in den einzelnen Modulen kaum etwas lernen. Die Studenten sind wider den eigenen Willen zu Kunden einer Angebotsvielfalt geworden, die sich an der bunten Warenwelt moderner Einkaufszentren orientiert.
Das Gegenteil ist sinnvoll. Non multa sed multum - nicht vielerlei, sondern viel! Eine bessere Universität schafft man eben nicht, indem man Fächer aufsplittet und geistig entleert, sondern indem man Studierenden die Gelegenheit gibt, zu untersuchen, zu überlegen, zu beurteilen - in einem Wort: zu denken. Nur so entstehen Reife, Selbstvertrauen und der Wunsch weiterzugehen. Nur von solchen Studenten kann die Gesellschaft etwas erwarten.
Dasselbe gilt für die Forschung. An einer Universität oder Forschungseinrichtung zu arbeiten, bedeutet heute allzu oft, Berichte zu schreiben und Zeit und Energie in einer bis vor kurzem Wissenschaftlern weitgehend unbekannten Tätigkeit zu verschwenden: das Erfinden glaubwürdiger Projekte. Der Autor kennt zahlreiche Kollegen, die Projekte erfinden mussten, die sie überhaupt nicht brauchten. Was sie aber brauchten, war Geld, um ihre Tätigkeit weiterführen zu können, und um junge Mitarbeiter zu bezahlen. Dass Projekte, um förderungswürdig zu sein, Partner brauchen, ist ein weiterer Irrtum, dem die Mehrheit der Geisteswissenschaften und nicht wenige Naturwissenschaften anhängen. Teamarbeit an gemeinsamen Projekten eignet sich nicht für alles und jeden. Vor allem die geisteswissenschaftliche Arbeit ist immer eine individuelle Tätigkeit gewesen, die aus geduldigem Überlegen und viel allein beim Studium in Bibliotheken verbrachter Zeit besteht. Doch nach der langwierigen Vorbereitung eines Projekts, der Antragstellung, der Fertigstellung der Berichte und des Kostenplans sowie nach zahlreichen Briefen an Kollegen bleibt für diese bedrohte Art unter den wissenschaftlichen Tätigkeiten, das individuelle Nachdenken und Forschen sowie die anstrengende Suche nach dem richtigen Weg, nicht mehr viel Zeit übrig.
Sinnvolle Reformen liegen auf der Hand: Man muss mehr Personen fördern und weniger Projekte. Und man muss gerade jüngeren Wissenschaftlern mehr Vertrauen, Geld und Chancen geben, ohne dafür etwas anderes zu verlangen als Einsatz und Hingabe. Vertrauen kommt vor Evaluieren. Vertrauen zu gewähren, bedeutet verantwortlich zu machen. So können junge Menschen wissenschaftlich und kulturell weiterkommen, so werden sie, in späterer Zeit, anderen dasselbe Vertrauen und Wissen weitergeben, das sie bekommen und erworben haben. Ein junger Wissenschaftler, der Vertrauen in sich und seine Arbeit spürt und dem eine Perspektive gegeben wird, ist eine sichere Investition in die Zukunft nicht nur seines Fachs, sondern auch der Gesellschaft.


Bureaucratic reform notions and modelling on the wrong examples are jeopardising European universities. A plea for some reflection upon classic strengths and more faith in the up-and-coming generation of academics.

Peace, time and trust. These three words sum up what research really needs. The demands of day-to-day research are just the opposite: haste, immediate results and accepting mistrustful controls. What counts is the quantity. You have to see to it that you publish as much as you can and get cited as often as possible. At the end of the day, publications and citations are simply lumped together and counted. Whether the work is of low quality or even insignificant is of no interest. For who among the scouting squadrons dispatched by the European ministries could really judge this?
Scientific progress, whether it be in the humanities or the natural sciences, often evolves from originality, from turbulences in the calm flow of routine. But originality is not recognised and accepted. It takes time for new and unusual ideas to establish themselves. If a citation index or an impact factor (i.e. the principle of "let's see how often I'm cited"), both of which are being applied more and more nowadays, had been used to assess the value of young Albert Einstein's or Kurt Gödel's work, a research project proposed by either of them would never have found financial support, and none of them would have attained a position in the academic world.
True, opposition to the contemporary bureaucratic tendency towards mediocrity fortunately continues to exist, but for how long? The reforms that legislators either wish to, or have already, introduced in several European countries are based on a lack of competence. The methods, aims and needs of universities and researchers are either unknown to them or have been misunderstood. The first, fateful basic error is the conviction that one and the same system can, and should, apply to all subjects. But solutions for the humanities will not necessarily fit the natural sciences, and vice versa. What may make sense for one group could be unfavourable for others. This holds for organising academic activities, evaluating results and even the length of studies. Lumping everything together doesn't make sense. For example, there are subjects both in the humanities and in the sciences that do not provide vocational training. Neither does one necessarily need this training! There, one is trained to think and consider things and learns how to solve problems and handle complexity. You could call it learning how to solve problems, regardless of whether you are dealing with mathematical formulae, physical experiments or antique Greek writing. It is an ability that increasingly appears to be lacking nowadays. Universities ought to offer the opportunity to learn it. For often enough, this will be the only opportunity people get.

A wrongly understood Americanisation
Most reform ideas are justified by pointing to the dominating role the United States plays. It is argued that the European system should, and has to be, adapted to the Anglo-American one. Such a proposition can only be put forward by someone who is not familiar with American conditions. For there is no such thing as a standard American system. Even so, a lot can be learnt from the Americans as well as from Europe's own history. In the first decades of the 20th century, the American universities were little more than an advanced secondary school for the majority of students. In those days, nobody would have started to draw comparisons with the German university and question its excellence. That many (but up to this day by no means all) American universities succeeded in catching up so swiftly was also due to the red carpet treatment they gave to top European scientists. American universities were sufficiently far-sighted and industrious to draw benefits from the training the Europeans had enjoyed, and hence from European schools and universities. The Americans provided the environment and the Europeans the brains.
It appears to suggest itself for Europe to roll out a red carpet for its own talent and excellent researchers and provide a framework similar to that in America: a fertile environment, accessibility and openness, career opportunities, faith in people's abilities and - it has to be said - money, which means "dramatically higher expenditure on research and education". Incidentally, this is what Sven Beckert, a German historian who has been living in the USA fora longtime, called for in this journal's last edition. But what have the European decision-makers devised? They are changing and worsening what has, by and large, yielded good results, i.e. our study courses and our universities. And this is dubbed modernisation. In contrast, what remains unchanged is what doesn't work or is lacking, i.e. the fertile environment. Instead of making room for abilities, obstacles are put in people's path.

The madness of the bureaucrats
The best of the students have been quick to spot this. They know that the new system is robbing them of true education and training. Shortening study courses, making examinations easier to pass or even setting the number of pages to be read in advance can only do harm. Take Italy, for example. Series of lectures are now called modules — a term that reflects bureaucratic madness. Within three years' time, Italian students have to pass 30 so-called module exams and write a short thesis. Thanks to the sheer mass of events, they can learn hardly anything in the individual modules. Against their own will, the students have been turned into customers shopping from a range of articles resembling the colourful world of commodities in modern supermarkets.
What makes sense is exactly the opposite. Non multa sed multum -not many but much! Trying to create a better university by splitting up subjects and stripping them of their academic content is the wrong approach. Students have to be given the opportunity to examine, consider and judge, or in a nutshell, to think. Only in this way can maturity, self-confidence and the desire to break new ground develop. Only from such students can society expect anything.
The same applies to research. Only too often, working at a university or a research institution means writing reports and wasting time and energy with an activity that until recently was largely unknown to scientists: inventing credible projects. The author is familiar with several colleagues who had to invent projects they didn't need at all. But what they did need was money to carry on with their projects and to pay junior staff. That projects require partners to be eligible for funding is a further error that the majority of the humanities and many a natural science adhere to. Teamwork in joint projects is not suitable for everything and everyone. Work in the humanities in particular has always been an individual activity consisting of patient thinking and spending long hours alone studying in libraries. But after the tedious preparations for a project, filing the proposal, compiling the reports and the cost plan, and writing countless letters to colleagues, only little time remains for what is now a threatened species among academic activities: thinking and researching, as well as the tedious quest for the right approach.
Meaningful reforms are obvious. More people and fewer projects have to be funded. And younger scientists and scholars in particular have to be given more trust, money and opportunities without initially being demanded to show anything else but commitment. Trust must come before evaluation. Trusting people means making them responsible. This is how young people can make progress academically and culturally, and it paves the way for their passing on trust and knowledge they have received and acquired to others later on in their career. A young scientist who perceives trust in himself and his work and who has been offered a perspective is a safe investment in the future not only of his subject but of society as well.

(Geändert am / modifié le: 2005-12-22)

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